Alan Bradley: Flavia de Luce – Mord im Gurkenbeet

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Kurz vor Sonnenaufgang findet Flavia einen sterbenden Mann mit karottenroten Haaren im Gurkenbeet. Er röchelt noch das Wort „Vale“ bevor er stirbt. Für jeden Halbwüchsigen wäre das ein Schock, für die elfjährige Flavia nicht. Sie beobachtet sein Sterben ganz genau und empfindet mehr neugierige Spannung als Abscheu oder Furcht.

Flavia – der Name bedeutet „die Goldhaarige“ – hat lange mausbraune Zöpfe, und sie ist die jüngste von drei Töchtern des Colonel de Luce. Ihre Mutter ist schon lange tot und der Vater findet Briefmarken faszinierender als die Sorgen seiner Kinder. Flavia ist alles andere als ein gewöhnliches Kind: Sie ist klug, einfallsreich und hat eine ausgefallene Leidenschaft – die Chemie. Im obersten Stock des Landguts befindet sich ein großzügiges Labor, in dem Flavia hauptsächlich mit Giften experimentiert (deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass sie, nachdem ihre Schwestern sie in einen Kasten sperren, mit einem vergifteten Lippenstift Rache nimmt).

Der tote Mann im Garten weckt also nicht nur Flavias wissenschaftliche Neugier, sondern auch ihr detektivisches Gespür. Flavia beginnt zu ermitteln und geht auf Verbrecherjagd. Wie Flavia später erfahren wird, handelt es sich bei dem Toten im Gurkenbeet um Horace Bonepenny, Zauberkünstler und Betrüger, der ein Schulfreund ihres Vaters war. Durch ihre Ermittlungen gerät die Vergangenheit ihres Vaters immer mehr in den Mittelpunkt. Ein geheimnisvoller Tod eines Lehrers und das Verschwinden zweier sehr wertvoller Briefmarken führen Flavia allmählich auf die Spur des Mörders. Die Zeit rinnt ihr dabei durch die Finger, denn ihr Vater gilt als Hauptverdächtiger.

Nostalgie mit Eigensinn

Der Autor hat diesen All-Age-Krimi, der in den Fünfzigern in England spielt, humorvoll und mit nostalgischer Jugendlichkeit umgesetzt, allerdings bei ein paar Details etwas geschludert. So zum Beispiel ist der ehemalige Schuldirektor voll im Bilde, was Flavias Ermittlungen betrifft; dass ihr Vater bereits im Gefängnis sitzt, ist ihm allerdings neu. Auch die Begegnung mit dem Zimmermädchen Mary ist etwas seltsam… und die tote Schnepfe.

Wer aber im Herzen jung ist und eigensinnige Mädchen mag, ist mit diesem Roman gut bedient und wird ihn mögen. Bei Wohlgefallen kann mit dem zweiten Teil „Mord ist kein Kinderspiel“ das Lesevergnügen fortgesetzt werden. Flavia erzählt von ihren Ermittlungen, ihren Gedanken und ihren Schlussfolgerungen – die nicht immer schlüssig sind. Klar, sie ist auch erst 11 Jahre alt.

Ich rief mir noch einmal den frühen Samstagmorgen in Erinnerung, sah mich die Treppe herunterkommen, durch die Diele in die Küche gehen und – ja, der Kuchen hatte ganz bestimmt auf dem Fensterbrett gestanden. Und jemand hatte sich ein Stück herausgeschnitten.

Später hatte mich Mrs Mullet dann gefragt, wie mir der Kuchen geschmeckt habe. Warum ausgerechnet mich? Warum nicht Feely oder Daffy?

Da traf es mich wie ein Donnerschlag! Der Tote hatte das Stück Kuchen gegessen. Endlich ergab das Ganze einen Sinn!

Wir hatten es mit einem Diabetiker zu tun, der eine lange Reise aus Norwegen hinter sich und eine in eine Pastete eingebackene Zwergschnepfe ins Land geschmuggelt hatte. Die Reste dieser Pastete hatte ich mitsamt der verräterischen Feder im Dreizehn Erpel entdeckt, der tote Vogel selbst hatte vor unserer Tür gelegen. Ohne etwas im Magen – obwohl er, Tully Stoker zufolge, in der Schankstube ein Bier getrunken hatte – hatte sich der Fremde am Freitagabend auf den Weg nach Buckshaw gemacht und das Haus nach der Auseinandersetzung mit Vater durch die Küche verlassen, wobei er unterwegs ein Stück von Mrs Mullets Schmandkuchen stibitzt hatte. Und noch vor dem Ende des Gurkenbeetes hatte ihn dieses Stück Kuchen niedergestreckt!

Was für ein Gift wirkte derart schnell? Ich ging die gebräuchlichsten durch. Zyankali wirkte innerhalb von Minuten, das Opfer wurde erst blau im Gesicht und erstickte dann rasch. Zurück blieb ein feiner Mandelgeruch. Gegen Zyankali sprach allerdings, dass das Opfer längst hätte tot sein müssen, als ich es entdeckte. (Ich muss zugeben, ich habe ein gewisses Faible für Zyankali – es wirkt nun mal am allerschnellsten. Wenn Gifte Pferde wären, würde ich immer auf Zyankali setzen.)

Hatte der letzte Atemzug des Mannes nach Bittermandel gerochen? Ich konnte mich nicht entsinnen.

„Mord im Gurkenbeet“ gibt es auch als Hörbuch, gelesen von Andrea Sawatzki (!).