Ben Aaronovitch: Die Flüsse von London

Blücher Startseite » Autoren von A bis Z » Aaronovitch Ben » Ben Aaronovitch: Die Flüsse von London
die flüsse von london

Peter Grant und seine Kollegin Lesley May sind Jung-Polizisten in London und stehen kurz vor dem Abschluss ihrer Ausbildung. So wie es aussieht, wird Lesley in die Mordkommission wechseln, Peter in die CPU, der Case Progression Unit, was so viel bedeutet wie jede Menge faden Papierkram auf dem ewig selben Schreibtisch. An einem kalten Dienstag im Januar werden die beiden zu einem Tatort gerufen, um ihn bis zum nächsten Schichtwechsel zu bewachen. Und wie so Peter in der Kälte ausharrt, wird er von einem kleinen Mann in einem altmodischen Anzug angesprochen. „Ich habe alles gesehen, Wachtmeister“, raunt der Mann. Peter, ganz nach Polizeischule, zückt Block und Kuli zum Mitschreiben. Und auch wenn es ihm seltsam vorkommt, dass der Mann angibt, bereits seit 120 Jahren tot zu sein, nimmt er seine Aussage zu Protokoll, ohne mit der Wimper zu zucken.

„Können Sie beweisen, dass Sie tot sind?“, frage ich.

„Wenn Euch daran liegt“, sagte der gleichmütig und trat aus dem Schatten der Säule.

Er war transparent, ungefähr so wie ein Hologramm in einem Film. Dreidimensional, wirklich und wahrhaftig vorhanden, aber eben doch durchsichtig, verdammt noch mal. Ich konnte tatsächlich durch ihn hindurch das weiße Zelt sehen, das von der Spurensicherung als Schutz über dem Fundort der Leiche aufgestellt worden war.

Okay, sagte ich mir, auch wenn du gerade mal kurz durchgeknallt bist, heißt das noch lange nicht, dass du deine Ausbildung als Polizist vergessen darfst.

„Bitte schildern Sie mir, was Sie beobachtet haben“, sagte ich formell.

Der Geist Nicholas Wallpenny lässt Peter keine Ruhe. Am nächsten Abend stellt er sich mit einer Thermoskanne bewaffnet zu den Säulen, um den durchsichtigen Zeugen noch einmal zu befragen. Doch Wallpenny taucht nicht auf, stattdessen jedoch ein gut aussehender und gekleideter Mann, der Peter auch noch darauf anspricht, was er hier so treibe. Peter ist von der schnöseligen Art des Fremden gar nicht begeistert und antwortet flapsig, er sei auf Gespensterjagd. Der Mann stellt sich daraufhin als Inspector Thomas Nightingale vor und verlässt Peter mit einem eigenartigen Lächeln. Am nächsten Tag wird Peter überraschenderweise genau diesem Mann zugeteilt, der als Einziger die Abteilung „Magie“ leitet. Nightingale ist einer der letzten Zauberer in England und Peter soll sein Lehrling werden.

„Sie haben den Hund verhext“, sagte ich, als wir das Haus verließen.

„Nur ein kleines bisschen“, wehrte Nightlingale bescheiden ab.

„Also gibt es wirklich Magie“, sagte ich. „Und Sie sind … was denn nun?“

„Ein Zauberer.“

„Wie Harry Potter!“

Nightingale seufzte. „Nein, nicht wie Harry Potter.“

„Wieso nicht?“

„Ich bin schließlich keine fiktive Romanfigur“, antwortete er.

Auch wenn Peter am Anfang von der Vorstellung, dass es Vampire, Geister, Trolle und sogar Flussgötter in London gibt, etwas konstatiert ist, findet er sich doch bald in der Rolle des Zauberbullen zurecht. Zunächst gilt es, Peters Kräfte zu wecken und auszubilden. Doch Meister und Lehrling werden dabei ständig von einem Serienmörder unterbrochen, der nichts anderes im Sinn hat, als unkontrollierte Gewalttätigkeit unter den Londonern freizusetzen und das Gesicht unschuldiger Bürger zu zersetzen.

Die Geschichte rund um den Zauberlehrling Peter Grant, die in Folgeromanen weitererzählt wird, besticht weniger durch eine ausgeklügelte, komplexe Handlung sondern vielmehr durch Humor und Unkonventionalität. Der Protagonist und Icherzähler ist ein Antiheld. Mehr oder weniger erfolgreich schafft er die Schule, bei seinen Vorgesetzten fällt er nicht durch Engagement oder gar Mut auf. Peters Vater ein ist gescheiterter, drogensüchtiger Musiker, seine Mutter eine Putzfrau. Und obendrein ist er – wie erfrischend – ein Farbiger. Auch wenn diesem Roman die Tiefe fehlt, ist er nichtsdestoweniger eine willkommene Abwechslung.