Helene Wecker: Golem und Dschinn

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Golem und Dschninn Helene Wecker

Chava und Ahmad treffen sich zufällig in New York gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Es ist die Zeit, in der viele Europäer und Araber nach Amerika emigrieren, um in der Neuen Welt ihr Glück zu versuchen. Chava und Ahmad sind Menschen nicht gewöhnt und mit dem sozialen Leben ebenso wenig vertraut. Denn Chava ist ein Golem. Ahmad ein Dschinn.

„Wie alt bist du?“
Sie dachte nach. „Sechs Monate. Und ein paar Tage.“
Der Dschinn blieb stehen. „Sechs Monate?“
„Ja.“
„Aber -“ Er machte eine schwungvolle Handbewegung, die ihre erwachsene Gestalt und Erscheinung umfasst.
„Ich wurde so erschaffen, wie du mich siehst“, sagte sie etwas verlegen, da sie es nicht gewohnt war, übers isch zu sprechen. „Ein Golem altert nicht, wir leben weiter, so wie wird sind, außer wir werden zerstört“.
„Und ihr seid alle so?“
„Ich glaube schon. Aber ich bin mir nicht sicher. Ich bin nie einem anderen Golem begegnet.“
„Wie, keinem einzigen?“
„Vielleicht bin ich der einzige“, sagte sie.
Höchst erstaunt schwieg der Dschinn. Sie gingen am Rand des Parks entlang.
„Und wie alt bist du?“, fragte der Golem, um das Schweigen zu brechen.
„Ein paar Hundert Jahre“, antwortete er. „Wenn mir kein Unglück zustößt, lebe ich noch mal fünf- oder sechshundert Jahre.“

Die beiden könnten nicht unterschiedlicher sein: Sie ist ein Wesen aus Ton, dazu gemacht zu dienen. Er ist ein Wesen des Feuers, freiheitsliebend und selbstbestimmt. Chava ist erst vor Kurzem erweckt worden, Ahmad hingegen hat eine jahrhundertelange Vergangenheit. Und doch verbindet die Beiden eine Seelenverwandtschaft, die über ihr Außenseitertum unter den Menschen hinaus geht. Zusammen versuchen sie, sich in der Welt der Großstadt zurechtzufinden. Und bald verbindet sie eine tiefgehende Freundschaft. Doch für den alten und arglistigen Magier Schaalman sind Dschinn und Golem der Schlüssel zu einem ewigen Leben. Von Polen aus macht sich der Magier auf den Weg, um die beiden für seine Zwecke einzuspannen, ihre Kräfte zu gewinnen und beide zu vernichten.

„Golem und Dschinn“ ist ein sehr empfehlenswerter Fantasy-Page-Turner, der sich vom Mainstream deutlich abhebt. Die Autorin beschreibt das New York der Jahrhundertwende sehr intensiv: Der Roman zieht den Leser gleich zu Beginn in seinen Bann und man hört erst wieder dann zu lesen auf, wenn man auf der letzten Seite angelangt ist.