Terry Pratchett: Die Nachtwächter

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Sam Mumm ist Kommandeur der Stadtwache, Herzog von Ankh Morpork und werdender Vater. Die Zeit, als er nächtelang auf Streife war, sind vorbei. Nun muss er sich um Politik, Personalmanagement und um die Verwaltung der Nachtwache kümmern. Und das frustriert. Die Jagd nach dem Psycho-Mörder Carcer kommt ihm gerade recht, wieder selbst im Einsatz zu sein. Auf dem Dach der Bibliothek der Unsichtbaren Universität kommt es zum Kampf und zu einer Entladung aufgestauter Magie. Mumm und Carcer werden durch einen Blitz dreißig Jahre in die Vergangenheit versetzt – in ein Ankh Morpork, wo der Bürgerkrieg vor den Toren steht. Korruption regiert die Stadt und eigentlich warten die Bürger nur noch auf jemanden, der sie anführt: auf John Keel. Als Sam von seiner Zeitreise erwacht, befindet er sich auf dem Behandlungstisch von Doktor Rasen.

„Wer bist du?“
Alle in der Stadt kannten Mumm. Bei der Gilde der Näherinnen war das zweifellos der Fall. Und der Doktor schien nicht dumm zu sein. Vielleicht war dies nicht der geeignete Zeitpunkt, um die Wahrheit zu sagen. Möglicherweise befand er sich hier an einem Ort, der für Polizisten ungesund sein konnte. Es mochte Gefahren mit sich bringen, Mumm zu sein.
„Keel“, sagte er.
„Ja, gut“, sagte die Frau und lächelte. „Möchtest du dir auch einen Vornamen einfallen lassen?“
„John“, sagte Mumm.
„Sehr originell“.

Allmählich begreift Sam, was ihm passiert ist. Er möchte den Zauberern einen Besuch abstatten, wird aber stattdessen verhaftet und landet im alten Wachhaus in der Sirupminenstraße. Er bewirbt sich als Oberfeldwebel und steht plötzlich seinem viel jüngeren Ich gegenüber. Und eigentlich will Sam nur nach Hause, zurück zu der hochschwangeren Sybill. Dem nicht genug, muss sich Mumm alias Keel mit Carcer herumschlagen, die Stadt vor dem Untergang retten und seinem jüngeren Ich politisches und polizeiliches Selbstverständnis beibringen:

Bei den Göttern, ich erinnere mich daran, dachte Mumm. Ich habe mir damals vorgestellt, es ginge nur darum, Schurken zu verfolgen, die nach einigen Dutzend Metern aufgeben und „Bist ein guter Polizist, Chef“ sagen. Ich war sicher, am Ende der ersten Woche eine Medaille zu bekommen.
„Du solltest vorsichtig sein, mit dem, was du sagst, Junge“, sagte Mumm.
„Ja, aber meine Mutter meint, es gäbe nichts dagegen einzuwenden, wenn sie die Unruhestifter und Irren fortbringen, aber es sei nicht richtig, wenn sie ganz normale Leute wegschaffen.“
Bin ich das wirklich?, dachte Mumm. Hatte ich tatsächlich das politische Bewusstsein einer Kopflaus?
„Und außerdem ist er verrückt. Schnappüber sollte ihn ersetzen.“
… und den Selbsterhaltungstrieb eines Lemmings?
„Ich gebe dir einen guten Rat, Junge. Wenn du derzeit in dieser Stadt nicht weißt, mit wem du redest, so halte besser den Mund.“

Das Buch „Die Nachtwächter“ ist nicht nur witzig – es ist eine der besten und intelligentesten Geschichten der Scheibenwelt. Mit Ironie werden Vergangenheit und Gegenwart sozialkritisch gegenüber gestellt, politische Systeme aufs Korn genommen („Tod den antifaschistischen Unterdrückern!“) und der menschliche Charakter, besonders sein Fehlverhalten, wunderbar skizziert und kommentiert. Für Nicht-Scheibenweltler ist dieses Buch zu verwirrend, als dass ein Lesevergnügen entstehen könnte. Verweise auf die spätere Karriere des Assassinenschülers Vetinari werden z.B. nicht erläutert, Gastauftritte von Persönlichkeiten, die sich allein durch Versalien definieren, ebenso wenig. Wer jedoch mit Pratchetts Charakteren vertraut ist, wird seine Freude am Superhero Mumm haben.

Hörprobe: Hauptbüro Wachhaus am Pseudopolisplatz – Lagebesprechung

Hörprobe: Keel und Mumm auf Streife

Leseprobe (PDF)