Walter Moers: Wilde Reise durch die Nacht

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Wilde Reise durch die Nacht Hörspiel Walter Moers

Der Meister alles Stimmlagen, Dirk Bach, erzählt uns in diesem Hörbuch eine wahrhaft abenteuerlichen Geschichte von Walter Moers. Der 12-jährige Gustave Doré geht auf eine Reise geht und lernt das Leben und sich selbst kennen. Der Junge muss zahlreiche todesmutige Aufgaben bewältigen, um aus den Klauen des Todes und seiner Schwester Dementia zu entrinnen. Walter Moers hat uns hier ein philosophisch-anregendes und ideenreiches „Moerschen“ für den Kopf beschert. Dirk Bach schafft uns ein dramatisch-quietschiges Event für das Ohr.

„Ich habe einen Roman geschrieben, der Wilde Reise durch die Nacht heißt, und auf einundzwanzig Bildern des französischen Illustrators Gustave Doré basiert“.

Gustave Doré war ein französischer Illustrator und lebte im 19. Jahrhundert. Er ist mit seinen Holzstichen für Miguel de Cervantes` „Don Quijote“ oder Dantes „Göttliche Komödie“ berühmt geworden. Sehr bekannt sind auch seine Grafiken über Edgar Allan Poes Gedicht „Der Raben“. Aus 21 ausgesuchten Holzstichen Dorés hat Walter Moers eine Geschichte verfasst, in der der Grafiker selbst der Protagonist ist.

Als es dunkel wurde, stach Gustave in See

Gustaves Reise beginnt auf dem Schiff „Aventure“. Es ist Nacht, ein Gewitter zieht auf. Gustave ist der Kapitän des Schiffes. Plötzlich werden er und seine Mannschaft von einem Siamesischen Zwillingstornado überrascht, aus dem es kein Entrinnen gibt. Der Junge bindet sich an das Steuerrad, um nicht von Bord geschleudert zu werden. Als das Unwetter vorbei ist, sinkt das Schiff.

„Das ist das Ende“, flüsterte Gustave.
„Ja … Alles, was entsteht, ist wer, dass es zugrunde geht“, antwortete darauf eine Stimme vom Heck des Schiffes. Gustave drehte sich um. Zwischen umgeknickten Masten und sinnlos verschlungenen Tauen saß eine schaurige Gestalt auf der Reling. Es war ein Gerippe, ein Mann ohne Haut und Fleisch, in schwarzes Leinentuch gewandet, er hielt eine Schatulle in den Knochenhänden und wandte Gustave seine leeren Augenhöhlen zu.

Der Junge steht dem Tod gegenüber, der sich auf Gustaves Ableben freut und sich einer weiteren Seele sicher ist. Doch Gustave kann seinem Ende vorläufig noch entgehen, indem er mit dem Tod („der blöde Sack“) einen Handel eingeht. Sechs schwierige Aufgaben muss Gustave in einer Nacht bewältigen, dann kann er dem Tod und seiner wahnsinnigen Schwester Dementia entgehen.

  • Die erste Aufgabe: Gustave muss eine schöne Jungfrau aus den Händen eines Drachen befreien.
  • Die zweite Aufgabe: Er muss durch den Gespensterwald reisen und sich dabei möglichst „auffällig“ verhalten.
  • Die dritte Aufgabe: Er muss die Namen von drei… vier, ähh… sechs Riesen erraten.
  • Die vierte: Gustave muss einen Zahn vom schrecklichsten aller Ungeheuer ziehen.
  • Die fünfte Aufgabe: Gustave muss sich selbst begegnen.
  • Die sechste Aufgabe: Gustave muss den Tod zeichnen.

Und damit beginnt die eigentliche Reise, die ein wenig an „Alice im Wunderland“ erinnert: Personen, Gegenstände und Gedanken, mit denen sich Gustave vor seiner Reise beschäftigt hat, werden aufgegriffen und in einen neuen Kontext gestellt: Dante als „unberühmter Matrose“ und nicht „berühmter Schriftsteller“ oder das Pferd Pancho Sanso als sein immer sudernder Wegbegleiter.

Die Personifikation ist – neben zahlreichen Alliterationen und herrlichen Anagrammen- eines der Stilmittel, die sich Moers am meisten bedient: die Wissenschaften wie Mathematik, Biologie oder Astronomie werden als Riesen dargestellt, die Sorge ist ein Ungeheuer (aber nur das zweit schrecklichste!), die zerstörerische Liebe ist ein Krokodil, die Zeit ein Schwein. Und während den Begegnungen mit seinem personifizierten Unterbewusstsein sieht sich Gustave immer wieder existentiellen Fragen über Leben und Tod konfrontiert: Was macht das Leben aus? Und: Was ist das schrecklichste Ungeheuer im Leben?

„Das Leben ist eine wilde Reise“ und „Das Sterben ist der Sinn des Daseins“

Dies resümiert der Tod gegen Ende der Erzählung und übergibt Gustave dem Leben als er erkennt, dass Gustave ein kreativer (und noch unfertiger) Geist, ein Künstler, und somit noch nicht für das Sterben geeignet ist. Oder ist das alles nur ein Traum von ungemachten Hausaufgaben?

Ein höchst philosophisches und zugleich fantastisches Hör-Abenteuer, dem erst der Erzähler Dirk Bach so richtig Lebendigkeit und Dynamik verleiht. Er verleiht einem ganzen Geisterwald und sechs Riesen die verschiedensten Stimmen. Und niemand kann dermaßen überzeugend nüchtern lallen!

Aus seiner Stimme kommen Wahnsinn, Delirium, Nörgeln, Angst, Ehrfurcht – und das im achterbahnmäßigen Tempo. Seine Intensität kriecht durch das Ohr in Herz und Hirn. Die einzige Unvollkommenheit ist seine gelegentliche Schnelligkeit, was aber das Hörvergnügen nicht wirklich beeinträchtigt.