Andreas Schumacher: Der Zauberberg in sieben Strophen

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Gedichte von Andreas Schumacher - der Zauberberg Rezension

Mit „gestatten“ eröffnet Schumacher seinen schmalen Gedichtband. Es ist die Vorstellung eines Erweckers der totgeglaubten deutschen sprache (lyrik) und Zeitreise durch die verschiedensten Spielarten der Lyrik zugleich. Gegen Ende kann der Opener auch als Kritik an den modernen Literaturbetrieb verstanden werden. Nämlich dann, wenn sich das lyrische Ich mit gesteigertem Tempo nichts Anderes als „preisgekrönte prollternative massenlyrik“ wünscht, „UND ZWAR SOFORT“. Unterhaltung pur – gleich auf den ersten Seiten.

ich will mir beim bachmannpreis
obercowboylike ein sofa
auf die bühne hieven
eigenhändig
mir oben ohne
working class
einen offenen bruch
lupfen

Ein Highlight des Buches ist auf alle Fälle das Gedicht, dessen Titel auch am Umschlag steht: „Der Zauberberg in sieben Strophen“. In gekonnt verknappter Form erzählt Schumacher in sieben Strophen zu je vier Zeilen den Literaturklassiker von Thomas Mann nach, ohne Wesentliches über den Protagonisten Hans Castorp (H.C.) auszulassen.

Es sind nicht die großen Themen der Welt, um die es in Schumachers Gedichten geht. Er schreibt von Grieben, Zugbekanntschaften, Zivis, Gin und Büro-Psycho und widmet sich Begebenheiten aus dem Alltag am Rande zur Skurrilität: In dem einen monologisiert ein Dorfdepp und disqualifiziert sich selbst durch seine Sprache als solcher. In „Die Dachrinne“ (eines meiner Favoriten) versucht ein Verkäufer eine Dachrinne an den Mann zu bringen. Und „Herr Trutz“ bereitet im Pflegeheim „andern Leuten gerne kleine Alltagsfreuden“. 

nein, es gibt ihn nicht, den Ort,
wo alle Menschen glücklich sind –

ausgenommen England, wenn es im 197. Anlauf
endlich gegen Deutschland im Elfmeterschießen gewinnt!

In Schumachers Strophen steckt meist ein Lacher oder zumindest ein Augenzwinkern und viel Leichtigkeit. Es scheint, als ob er bei manchen Gedichten nicht lange nachdenken müsste, sondern sich einfach dem Flow seiner Kreativität hingeben würde. Fast alle Gedichte haben eine Lockerheit in sich, die einfach Lust aufs Lesen macht. Durch viel Abwechslung in Stil, Ton und Rhythmus lässt der Silbenjongleur keine Langweile aufkommen. Und auch wenn der Umschlag Gegenteiliges vermuten lässt, beweist der Autor, dass Gedichte keineswegs eine antiquierte und öde literarische Ausdrucksform sind.

Andreas Schumacher – geboren 1981 in Bietigheim-Bissingen – lebt in Walheim. Er studierte Literaturwissenschaft. Seine Gedichte, Geschichten und Anthologien wurden in Zeitschriften (u.a. DAS GEDICHT, EXOT – Zeitschrift für komische Literatur) und Verlagen (dtv, Reclam, Fischer TB) veröffentlicht. Zuletzt erschien „Die Zeckenbürstenkatzentreppe“.

Andreas Schumacher: Die Zeckenbürstenkatzentreppe