Christoph Wagner: Schattenbach

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schattenbach

Dieses Buch ist mir nicht aufgrund seiner lieblosen Aufmachung sondern wegen des Klappentextes in die Hände geraten. Der Autor, Christoph Wagner, ist eigentlich durch seine journalistischen Arbeit zu kulinarischen Themen bekannt: Er ist Herausgeber des Gastronomieführers „Was isst Österreich“ und Gourmet-Kolumnist für „News“ und „Gusto“. „Schattenbach“ ist sein erster Roman und eine vergnügliche Detektivgeschichte mit einer gepfefferten Portion Kulinarik.

Schattenbach ist ein ruhiges Dorf, irgendwo in Österreich zwischen idyllischen Weinbergen und einem beschaulichen Flussknie gelegen, mit einer Kirche, einem Gemeindeamt und einem Dorfwirt. Es gibt aber auch ein kleines Heimatmuseum, das neben der Nachttopfsammlung auch eine Heiligenfigur beherbergt. Als „die Madonna mit den sechs Fingern“ eine nachts gestohlen wird, richtet sich der Verdacht der örtlichen Oberhäupter natürlich zu allererst gegen den ortsfremden Kustos, dem „Flinserldoktor“ Mario Carozzi.

Ein Ermittler mit Hang zu Chili und Mezcal

Mario Carozzi ist Archäologe und eigentlich wäre er lieber in Mexiko. Aber Job ist Job und deshalb hat der Wissenschaftler mit Hang zu Chili und Mezcal die Anstellung des Kustos im Heimatmuseum angenommen. Mit dem Umbau des Tabernakels zu einer Schnapskredenz macht sich Carozzi keine Freunde auch nicht als er anstatt der alten Frau Zidibulk eine junge Putzfrau vom Asylantenheim einstellt. Doch den Schnaps lieben die Museumsbesucher (und zahlen auch gerne dafür) und die Zigeunerin Etelka macht ihre Arbeit. Doch als die Madonna mit den sechs Fingern gestohlen wird und Carozzi daraufhin einen abgetrennten Finger im Musuem findet, muss ich Carozzi gegenüber den örtlichen Bonzen behaupten, was gar nicht so leicht ist, wenn man nicht einheimisch ist und die Ankläger nicht gerade hell sind.

Carozzi gibt nicht aber nicht klein bei sondern beginnt auf eigene Faust zu ermitteln und sieht sich mit dörflicher Bigotterie, Fremdenhass und unsauberen Geschäften konfrontiert. Und immer wenn’s brenzlig wird, werden Chilies zerhackt und mit Huhn oder Garnelen angerichtet.

Immer, wenn ich mich ärgere, habe ich ein ziemlich einfaches Gegenmittel. Ich mache Chilli Chickens. Das baut durch seine Schärfe Aggressionen ab, und je mehr ich mich geärgert habe, desto schärfer wird dieses Gericht. Wenn es nach der Schärfe des Chili Chickens ging, das ich heute für mich zubereitete habe, so muss ich mich außerordentlich geärgert haben.

Chili muss man wissen, das ist, zumindest in Mexiko, wo ich ihn kennnen und lieben gelernt habe, nicht nur ein Gewürz, es ist fast schon eine Ideologie. In Mexiko gibt es mehr Chili als in Europa Apfelsorten. Die schärfste davon ist der berüchtige Habanero-Chili, der nicht größer als eine Walnuss ist und unter Kennern als die schäfste Schote der Welt gilt. Ich hatte bei meiner Rückkehr aus Mexiko einen ganzen Jutesack voll getrockenter Habaneros im Marschgepäck, und scharf, wie sie sind, wird der Vorrat wohl auch noch reichen, wenn mein unrühmliches Schattenbacher Intermezzo länst Vergangenheit sein wird.

Ich tat also einen tiefen Griff in meinen mexikanischen Jutesack, und das Chili Chicken schmeckte erwartungsgemäß so brennende scharf, dass meine Lippen nach seinem Genuss absolut taub waren, wie sie es sonst nur sind, wenn ich beim Zahnarzt eine Spritze bekommen habe.

Ich führte diese tauben Lippen allerdings nicht nur auf den Verlust der sechsfingrigen Madonna von Schattenbach zurück, und auch nicht auf die Verhaftung Etelka, die mich zwar emotionalisierte, aber keineswegs innerlich aufwühlte. Selbst der Bürgermeister mit seinem herablassenden „Doktor Flinserl“ wäre allenfalls nur drei, der dumme Inspektor Loisl vielleicht ein halbes Dutzend Habaneros wert gewesen. Nein, meine heute besonders lockere Hand in Sachen Pfeffer verdankte mein Chili Chicken ausschließlich Monsignore Seitel.