Gerd Schilddorfer, David G. L. Weiss: Narr

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Wenn das Autoren-Duo Schilddorfer und Weiss so weiter macht, dann besteht akute Suchtgefahr! Seit Anfang Juli ist ihr zweiter Historien-Thriller mit den sympatischen Helden Paul Wagner und Georg Sina auf dem Markt und wer jetzt noch auf der Suche nach einem aussergewöhnlichen Lese-Erlebnis für den Sommer ist, der soll schauen, dass er schnellstens in die nächste Buchhandlung geht oder klickt. Das erste Roman „Ewig“ hat ja schon einiges an intelligenter Spannung hingelegt, bei „Narr“ wurden meine Erwartungen überboten. Auch dieses Mal haben sich die Autoren eine historische Größe für die Handlung herausgepickt – Fürst von Metternich (nein, nicht der Riesling-Sekt sondern der vom Wiener Kongress). Gekonnt wird Geschichtsschreibung und Fiktion mit der Gegenwart verstrickt, so dass man aus dem Staunen nicht mehr herauskommt.

Ein Bestseller aus Österreich

Es geht um vier geheimnisvolle Dokumente aus den Zeiten Metternichs, auf deren Spuren sich der Journalist Wagner und der Historiker Sina heften. Mit von der Partie sind auch wieder der mittlerweile pensionierte Kommissar Berner, Major Valerie Goldmann und der Ex-Ringer Eddy Bogner, dem gegen Ende eine besondere Rolle zugeteilt wird. Doch ganz am Anfang der Geschichte und wie es auch bei einem ordentlichen Krimi-Thriller sein soll, steht ein grauslicher Mord: Im fahlen Mondlicht findet Professor Sina seinen ehemaligen Mentor – aufgehängt im eigenen Obstgarten mit herausgeschnittener Zunge…

Dem ehemaligen Studienvater folgen noch weitere Mordopfer: Vor dem Hintergrund des Wirtschaftsgipfels, der gerade in Wien abgehalten wird, sterben auf ungewöhnliche Weise zwei Minister und als vierter folgt dann auch noch der österreichische Bundeskanzler Schuhmann. Aber da wissen weder Wagner/Sina noch die Polizei von den historischen Hintergründen, die diese Morde miteinander verbinden. Nur eines kristalliert sich immer stärker heraus: Vertraue niemanden.

Besser als Dan Brown

Wagner und Sina beginnen zu recherchieren und jagen vier mysteriösen Dokumenten, die eng mit dem Schicksal Metternichs und seinem Gheimchef verknüpft sind, hinterher. Und bei dieser Jagd sie sind nicht allein: Wann immer sie eins von den Dokumenten in den Händen halten, wird es ihnen flugs von vermummten Soldaten entrissen. Aber trotz Frustration und tickenden Senfgas-Bomben lassen sie sich nicht beirren, das Geheimnis um Metternichs Dokumente, an die auch der israelische Geheimnis Interesse hat, zu lüften. Mit Hilfe der hübschen Agentin Valerie Goldmann und dem knuddeligen Eddy mit seinen Ex-Sträflingen bringen sie Licht in vergessene Teile des Wiener Untergrunds.

Er zog die Schultern hoch. Diese Bedrohung war verdammt real und sie kam mit der Präzision eines Uhrwerks näher und näher. Waren sie nicht alle – er, Paul, Valerie und Berner – Marionetten, die an unsichtbaren Fäden tanzten? Letztes Jahres hatte ein mittelalterlicher Kaiser das Stück inszeniert, wer war es dieses Mal? Hinter einer Wand, hinter den Kulissen, in der Schwärze des Bühnenraumes, agiert jemand im Verborgenen, ließ die Puppen tanzen. Und er, Georg, er war der Kasperl in diesem Stück, der Narr, der den ausgestreuten Brotkrumen hinterher wackelte, wie der dumme Bulle zur Schlachtbank. Aber von dem lauernden Krokodil, dem er nach der Tradition des alten Wiener Marionettentheaters seinen Prügel auf den Schädel hauen konnte, war nirgends eine Spur zu finden. Es hatte sich im Dickicht vor seinen Jägern verborgen, zusammen mit der scheinbar unabwendbaren Gefahr.

Wie auch im Erstlingswerk „Ewig“ ziehen Schilddorfer und Weiss sämtliche Register für einen Bestseller: Sie kombinieren sämtliche Thriller-Techniken (mysteriöse Morde, Wettlauf gegen die Zeit, Verschwörungen und Attentate), setzen diese in vor einem historischen Hintergrund, verbinden das Ganze mit politischem Tagesgeschehen und garnieren das real-fiktive Endprodukt mit liebevoll skizzierten Charakteren, österreichischem Witz und geistreicher Schreibe.

Und nun bin ich erstens mal auf den dritten Teil gespannt, der ja hoffentlich folgen wird, und auch auf den Film von „Narr“.