Fiona Campbell: Eine kurze Geschichte des Scheiterns auf Japanisch

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Kenji Yamada ist ein Durchschnittsjapaner. Verheiratet, zwei Kinder, eine Schwiegermutter, eine Hypothek. Da wird er ziemlich unschön aus seinem Job bei einem TV-Sender gekickt und er durchlebt die gängigen Emotionen der plötzlichen Arbeitslosigkeit: Wut, Trauer, Selbstmitleid. Als seine Frau nach einer Weile von selbst darauf kommt, dass es nun an ihr ist, die Sushis zu verdienen, ist auch schon Kenjis Karriere als Glücksspieler vorbei. Nun muss sich Kenji doch um einen richtigen Job bemühen. Doch wer will ihn noch – den Versager, der von einer eigenen TV-Show träumt?

Kenji verstand nicht, wovon Ishida eigentlich redete. „Sie meinen also, dass ich in einen anderen Arbeitsbereich versetzt werde? Vielleicht in die Produktion?“, fragt er hoffnungsvoll. Vielleicht war das die Chance, auf die er immer gewartet hatte. Konnte es sein, dass Ishida von seinen Ideen für neue Gameshow-Konzepte erfahren hatte? Kenji wäre mit jedem Arbeitsbereich zufrieden, aber die Produktion wäre die Erfüllung eines lang gehegten Traums.

„Diese Option steht hier leider nicht zur Debatte. Wir bitten Sie vielmehr, in den vorzeitigen Ruhestand zu gehen.“

„In den vorzeitigen Ruhestand.“ Kenji wiederholte die Worte, aber er verstand immer noch nicht, was das alles zu bedeuten hatte.

„Ja, in den vorzeitigen Ruhestand.“

„Aber“, er stotterte und brachte die Worte nur unter großer Anstrengung heraus, „ich bin doch erst vierzig.“ Er prustete unvermittelt los, denn die Situation erschien ihm auf einmal lächerlich. „Heute ist mein vierzigster Geburtstag. Ich bin viel zu jung für den vorzeitigen Ruhestand.“

„Ich fürchte, Sie haben keine andere Wahl.“

„Keine andere Wahl?“ Ein Gedanke schoss ihm plötzlich durch den Kopf. „Ah, jetzt verstehe ich. Das ist ein Witz. Ein Witz, weil ich heute Geburtstag habe.“

„Nein, das ist kein Witz.“

Es ist schon in unseren Breiten gräulich, wenn man mit fadenscheinigen Begründungen gekündigt wird. In Japan überlegt man ernsthaft Seppuku zu begehen, denn die Folgen eines Rausschmiss sind an den Verlust des eigenen Gesichts gekoppelt. Kenji ist also am Nullpunkt angelangt. Auf Drängen seiner Frau nimmt er einen Job an, der nun wirklich unter seiner Würde ist. Aber es hilft alles nichts und Kenji stellt sich tapfer seiner neuen Aufgabe – dem Sortieren von Briefen und Paketen.

Anstatt dem Seppuku wird dann Kenji allerdings von einem Blitz getroffen, der ihn zwar halb blind und gelähmt macht, ihn aber auch – mit Hilfe von Dopo (ein bereits verstorbener Freund, der am Krankenbett mit ihm spricht) – auf eine phänomenale Idee einer TV-Gameshow namens „Millyenaire“ bringt. Kaum ist die Idee geboren, versucht Kenji sie auch umzusetzen und muss erfahren, dass seine wahre Berufung die eines Steh-auf-Manderls ist.

Blitze und tote Freunde, die zu einem sprechen, sind nur zwei Beispiele, womit die Autorin versucht, ihren Roman einen surrealen Touch zu geben und ihn damit auch unterhaltsamer gestaltet. Weniger unterhaltsam ist der Protagonist, der einem mit seinem Understatement und Tolpatschigkeit fast schon auf die Nerven zu gehen droht. Nichtsdestoweniger ist die Geschichte des japanischen Anti-Helden kurzweilig, mit kreativen Einfällen versehen und mit Liebe zum Detail geschrieben.