Wien im Herbst 1876: Wenn einem mit einem metallenen Dorn die Augen ausgestochen und jeder Finger verstümmelt wird, ist das nicht nur Mord, sondern ein klares Statement. Das begreift die Wiener Polizei sofort, als sie eine solche verstümmelte Leiche in einem Haufen Müll entdecken. Der Fund im Unrat ist nicht der einzige, bald spricht ganz Wien von einer Mordserie. Mehr durch Zufall geraten die beiden Freunde Hieronymus Holstein und der bucklige Franz in die Ermittlungstätigkeiten der Wiener Polizei. Die Mörderjagd beginnt.
Hieronymus Holstein verdient sich sein Geld mit Geisterfotografien. Neben seiner Arbeit ist auf den Spuren seine Geliebten Karolína. Eine Verbindung zu ihrem Verschwinden sieht der Fotograf in Karolínas Bruder, der aber ebenfalls nicht auffindbar ist. In seiner Verzweiflung wendet sich Holstein an den Wiener Polizeipräsidenten Wilhelm Marx. Doch der weigert sich zunächst, Informationen aus dem amtlichen Melderegister einfach so herauszurücken.
Just in dem Moment, als Holstein bei Marx im Büro sitzt, erstattet ein Wachmann Bericht über einen weiteren übel zugerichteten Leichenfund. Marx ist zwar mit einer großbürgerlichen Arroganz ausgestattet, die es ihm erlaubt, alle in der dritten Person anzusprechen, aber trotzdem bauernschlau. Im Gegenzug zur Auskunft über den Aufenthaltsort des Bruders soll Holstein seine fotografische Ausrüstung holen und den Leichenfund dokumentieren.
Ein Serienmörder, ein verschwundener Ehemann und der Auftrag, ein Kind zu fotografieren
Am Tatort begegnet Holstein dem deutschen Pathologen Salomon Stricker und es ist eine gegenseitige Abneigung auf den ersten Blick. Das liegt zum einen an schon seit Ewigkeiten andauernden Hick-hack zwischen der österreichischen und deutschen Mentalität, sondern auch daran, dass sich jeder von ihnen am Ort des Verbrechens bestmöglich profilieren will. Marx schiebt den für den Leser amüsanten Sticheleien einen Riegel vor, in dem er anordnet, dass die beiden zusammenarbeiten sollen.
Es sind also schon drei Tote, die auf dieselbe bestialische Weise gefoltert und ermordet worden sind, als Holstein zu ermitteln beginnt. „Hieronymus spürte, dass ihn dieser Fall nicht kaltließ, mehr noch, er hatte das Gefühl, als könnte er gar zu seiner Lösung beitragen.“ Aber wo ansetzen? Wo war – neben den Verstümmelungen – die Verbindungen zwischen zwei toten Hacklern und einem Arzt? In welche Gefahren werden sich die beiden Freunde begeben, wenn sie im untersten sozialen Milieu einem Irren auf der Spur sind? Und diese Spur führt noch dazu zum sogenannten Gugelhupf, das im Wiener Volksmund bezeichnete Irrenhaus.
Neben dem Leben als Fotograf und Detektiv verfolgt Holstein weiter seine Recherchen um Karolínas Bruder. Außerdem soll er auch den verschwundenen Ehemann seiner Hauswirtin Anezka finden, die mit ihren 6 Kindern nicht mehr weiß, wie sie ihr Leben bezahlen soll. Sliwowitz ist halt auch keine Lösung auf Dauer. In diesem Fall heftet sich der bucklige Franz auf die Fährte des Gatten. Wir tauchen ein in die Welt der damals weltbekannten Ziegelwerke und der berüchtigten Wiener Kanalisation.
Ein Leckerbissen für Fans von Wiener Krimis
„Totentaufe“ ist ein historischer Krimi, der in Wien im ausgehenden 19. Jahrhundert spielt. Es ist der zweite Fall für Hieronymus und Franz, aber durchaus auch ohne Kenntnisse des ersten Falls zu genießen. Der Krimi hat eine in sich geschlossene Handlung, Gegebenheiten, die sich auf die Vergangenheit beziehen, werden kurz erläutert. Eine amüsante Komponente des Krimis sind definitiv die mit alten Wiener Ausdrücken gespickten Dialoge und Beschreibungen der damaligen Zeit. Wir begegnen Fratschlerlinnen, Strottern, Hübschlerinnen und Griasler in Tschecherln, Gstättn und Brandineser. Es wird tachniert, gesudert, tranglt und g’spiebn.
Bastian Zach hat erfolgreich einen Kriminalfall mit Historie und Lokalorit kombiniert. Eine spannende Unterhaltung ist also ganz auf der Seite der Leserinnen und Leser, die nicht nur historische, sondern auch Wiener Krimis lieben.