Daniel Polansky: Der Herr der Unterstadt

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Der Herr der Unterstadt von Daniel Polansky

Simeon Dubois, alias „Der Patron“, beschreibt sich selbst als ziemlich hässlich. Er ist jähzornig, raucht wie ein Schlot, vertickt Drogen, ist selbst danach süchtig und kämpft wie ein gemeiner Straßenköter. Doch der Leser kneift bei diesen Lastern schnell beide Augen zu, denn Simeon, Held und Erzähler dieser Geschichte, entpuppt sich ziemlich bald als jemand, der mit Intelligenz, Ehrgefühl und jede Menge Sarkasmus ausgestattet ist. In den Schatten der glitzernden StadtRigus – der sogenannten Unterstadt – , dort wo an jeder Ecke Räuber und Drogendealer lauern, die Sonne nur sehr selten scheint und Gewalt den Tagesablauf bestimmt, da ist sein Revier. Von allen nur mit „Patron“ angesprochen, geht er in der Unterstadt seinen düsteren Geschäften nach und entspannt sich bei mehreren Ales in der Kneipe seines Freundes Adolphus. Bis ein Mord an einem kleinen Mädchen passiert.

Eine Schönheit war ich noch nie, da half kein Pudern und kein Schminken. Triefende Knollennase, Glubschaugen, der Mund wie ein Schlitz, den man mit dem Messer schief ins Fleisch geschnitten hat. Zur Steigerung meiner natürlichen Reize tragen zahlreiche Narben bei, die einen Masochisten vor Neid erblassen lassen würden. Über meine Wange zieht sich ein verfärbter Streifen, das Andenken an einen Geschosssplitter, der mir beinahe den Garaus gemacht hätte, während mein zerfetztes linkes Ohr von einer Straßenschlägerei Zeugnis abgelegt, bei der ich den Kürzeren gezogen habe.

Der Patron war einmal einer von den Guten, doch das Leben als freier Unternehmer, Drogen und Alkohol haben ihn seine Vergangenheit fast vergessen lassen. In früheren Zeiten, als eine Epidemie die Bevölkerung fast ausgerottet hatte und der Patron – damals selbst noch Kind – das kleine Mädchen Celia vor einer Vergewaltigung gerettet hatte, lernte er Blaureiher kennen, den wichtigsten Magier der Stadt. Später arbeitete er als Stadtwächter und war wegen seines detektivischen Gespürs unter den meisten seiner Kollegen hoch geachtet. Nun ist der Magier ein alter Mann, Celia seine Nachfolgerin und der Patron ein unehrenhaft entlassener Ex-Polizist.

Ein Mord ändert alles: Durch Zufall stolpert der Patron eines Abends über die Leiche eines vermissten Mädchens. Wie auf Zuruf erwachen seine detektivischen Instinkte. Der Anblick des Mädchens, sein Schicksal und ein seltsamer Geruch, der um die Leiche wabert, lassen ihn nicht mehr los. Er beschließt, den Mord auf eigene Faust zu untersuchen. Binnen kürzester Zeit aber sitzen ihm nicht nur seine Ex-Kollegen von der Stadtwache im Genick, sondern auch die halbe Unterstadt. Als noch mehr Kinder ermordet werden, beginnt sich das Netz um den Patron immer mehr zuzuziehen. Nur noch ein paar Tage – bis dahin musste er den Fall gelöst haben…

Nach meinen Berechnungen gab es mindestens eine Gruppe von Leuten, die versuchte, mich umzubringen, insgesamt möglicherweise sogar drei. Darüber hinaus rückte die Frist, die mir der Alte gesetzt hatte, drohend näher, sodass mir ständig der Satz sieben Tage weniger drei Tage sind vier Tage, sieben weniger drei tage sind vier Tage, vier Tage, vier Tage im Kopf herumschwirrte.

Die Welt des Patrons ist düster, gewalttätig und beizeiten auch magisch. Im Zentrum steht eine Hardboiled Detektivgeschichte im klassischen Sinne, eingebettet jedoch in eine Fantasiewelt. Es gibt einen Kronprinzen, Magier, Seher und andere magische Wesen. Die Zeit, in der die Geschichte spielt, erinnerte mich an das späte Mittelalter, als es üblich war, dass Männer sich puderten, Schönheitsflecken klebten und sich in grünen Parks bei Tagesanbruch duellierten. Die Sprache hingegen ist modern und auch das eine oder andere Wort assoziiert man mit der Gegenwart.

„Der Herr der Unterstadt“ lebt von und durch seinen Helden. Er erzählt uns vom Leben in der Unterstadt, von seiner Vergangenheit und gewährt uns einen tiefen Einblick in seine Gedanken und Gefühle. Der vom Leben gezeichnete Mann ist hart im Nehmen und keineswegs eine Schnarchnase. Seine Schilderungen sind voll von Ironie und Sarkasmus –  man merkt, dass er aus reinem Selbstschutz weder sich noch seine Umfeld sonderlich ernst nimmt. Der Patron erinnert mich etwas an Sam Vimes, dem bekannten Polizisten aus Terry Pratchetts Feder. „Die spannendste Fantasy Saga seit Brent Weeks und Mexey Pehox“, steht groß auf der Rückseite des Umschlags. Schön, dass diese Werbetexte auch manchmal recht haben.

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