Dorothy L. Sayers: Diskrete Zeugen

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Dorothy Sayers Diskrete Zeugen Peter Wimsey
Der 2. Fall von Lord Peter Wimsey

In unseren Breiten kennt man sie kaum: die englische Krimi-Autorin Dorothy L. Sayers (1893-1957). Sie gehört mit Agatha Christie, G. K. Chesterton,  P.D. James oder Edgar Wallace zu den ganz Großen der englischen Kriminalliteratur zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Warum sie in Vergessenheit geraten ist, ist mir unerklärlich. Mit ihrem Protagonisten Lord Wimsey, den sie in einer ganzen Serie aus 11 Romanen und mehreren Kurzgeschichten ermitteln lässt, sorgt sie für vergnügliche Spannung. Ganz so, wie man es von den englischen Krimis dieser Zeit gewohnt ist.

Der Fall beginnt damit, dass Hauptmann Denis Cathcart im Wintergarten eines Jagdschloss in Nord-Yorkshire tot aufgefunden wird. Als Tatverdächtiger gilt bald der Herzog von Denver. Zum einen wurde er dabei beobachtet, wie er sich über die Leiche beugt, zum anderen gehört ihm die Pistole, mit der der Haupt erschossen wurde. Lord Peter Wimsey, der zum Zeitpunkt des Mordes in der korsischen Wildnis weilt, reist in höchster Eile nach Nord-Yorkshire, um private Ermittlungen anzustellen. Denn der Angeklagte ist sein älterer Bruder, der Ermordete sollte sein zukünftiger Schwager sein.

O! Wer hat die Tat vollbracht?

Für Lord Wimsey besteht kein Zweifel, dass sein Bruder Gerald die Tat nicht begangen hat. Ebenso wenig seine Schwester Lady Mary. Sie war mit Cathcart verlobt war und erklärt sich kurzfristig als Mörderin bereit. Wimseys Ermittlungen gestalten sich jedoch schwierig. Sein Bruder Gerald weigert sich strikt ihm, dem Gericht und seinem Anwalt zur erzählen, was genau geschehen war und wo er zum Zeitpunkt des Mordes war. Auch Lady Marys Aussage hilft dem Hobby-Detektiv nicht weiter. Und je mehr sich Wimsey dem Fall widmet, desto mehr Geheimnisse, Ungereimtheiten und Lügen deckt er auf. Er weiß, dass er die Ereignisse dieser schicksalhaften Nacht so schnell als möglich klären muss. Ansonsten zahlt sein Bruder den Preis für ein Verbrechen, das er nicht begangen hat.

Bei seinen Ermittlungen rund um den nicht astreinen Hauptmann hilft ihm sein bester (und auch einziger?) Freund Charles Parker von Scotland Yard, einem waschechten Kriminaler seiner Zeit. Weitere Untersützung bekommt Wimsey von Mr. Bunter. Der makellos gekleidete, tadellos auftretende und vorausschauende Bilderbuch-Butler sorgt nicht nur für das perfekte Wohlergehen seines Lords, sondern unterstützt als Hobby-Fotograf und Assistent auch aktiv die Ermittlungen.

Buchliebhaber, Giftexperte und Salonlöwe

„Diskrete Zeugen“ ist der zweite Krimi über den sympathischen Schnüffler Lord Peter Wimsey.  Er ist der Inbegriff eines englischen Adeligen. Gut betucht und mit tadellosen Manieren frönt er seinem Lieblingshobby, die kriminalistische Ermittlungsarbeit. Den Namen für ihren Helden, hat Sayers wohl mit einem augenzwinkernden Hintergedanken ausgesucht. Das englische Wort „whimsy“ bedeutet soviel wie launig – im schrulligen Sinn.

Für Lord Peter aber war die ganze Welt ein unterhaltsames Labyrinth von Nebenpfaden. Er hatte es in fünf bis sechs Sprachen zu einer beachtlichen Fertigkeit gebracht, war ein Musiker von einigem Geschick und noch mehr Verständnis, Giftexperte, Sammler seltener Buchausgaben, Salonlöwe und ein gewöhnlicher Naseweis. Man hatte ihn schon sonntags um halb eins in Frack und Zylinder durch den Hyde Park spazieren und die News of the World lesen sehen. Seine Leidenschaft für das Unerforschte ließ ihn im Britischen Museum obskure Pamphlete ausgraben, die Gefühlswelt von Steuerbeamten erforschen und herausfinden, wo seine eigene Abwasserleitung endete. Und jetzt führte für ihn kein Weg daran vorbei, in einem persönlichen Gespräch zu ergründen, warum ein Bauer in Nord Yorkshire die Angewohnheit hatte, seine Hunde auf harmlose Besucher zu hetzen. Das Ergebnis war unvermutet.

Dorothy L. Sayers ist eine gute Empfehlung für Bücherratten, die auf englische Krimis à la Christie, Doyle oder Wallace stehen und auf der Suche nach neuem Futter sind. Zudem ist „Diskrete Zeugen“ ein Krimi zum Mitraten. Der ausführliche Bericht über die Voruntersuchung, der Sayers gleich zu Beginn des Krimis präsentiert, informiert über die Fakten des Verbrechens. Und wie Lord Peter, entdeckt auch der Leser so langsam, was sich tatsächlich ereignet hat und welche Wahrheit von wem zurecht gebogen wurde.