Michael Wyhnal: Der Oberflächenmensch

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Ein junger Mann steht vor einem neuen Lebensabschnitt. Die Matura ist bestanden, der Sommerurlaub, den er mit seinem besten Freund Lukas und dessen Eltern in den Bergen verbracht hat, zu Ende. Nun warten das Universitätsstudium und die Großstadt auf ihn. Zeitgleich ist die neue Aufgabe und der Wohnortswechsel ein Neubeginn. Während des Sommers zeigt die langjährige Freundschaft zwischen dem jungen Mann und seinem Kindheitsfreund ernste Risse. Auch ein wohlgemeinter Abend zum Abschied am Ende des Sommers kann diese Sprünge nicht kitten. Sie haben sich – nicht zuletzt aufgrund ihrer unterschiedlichen beruflichen Wege, die die beiden eingeschlagen haben, auch emotional voneinander entfernt. Sie stellen fest, dass sie so gut wie keine Gemeinsamkeiten mehr haben. Zwischen Studentenwohnheim und Universität versucht der junge Mann sich also nicht nur in seinem neuen Leben zu behaupten, sondern arbeitet auch daran, den notwendigen Abstand zu seinem Jugendfreund zu gewinnen.

Der Wiener Autor Michael Wyhnal stellt in seinem Debüt-Roman einen jungen Mann auf den Weg zum Erwachsenwerden in das Zentrum und überrascht mit einem eigenwilligen Protagonisten. Sein Held und Icherzähler ist bei Weitem nicht das, was wir uns so unter einem Klischee-Jugendlichen vorstellen. Der junge Mann ist ein intellektueller Individualist und ein Idealist, und damit automatisch ein Außenseiter.Noch in seinem Heimatdorf brüskiert er Lukas und dessen Freunde mit seiner Ablehnung von Alkohol und Gelegenheitssex. Auf der Universität ist er den meisten durch seinen Ehrgeiz, seinen Erfolgen, und dass er nicht bei Facebook registriert ist, schlichtweg suspekt. Es ist die Oberflächlichkeit unserer Gesellschaft, an der sich der junge Mann stößt und nach deren Regeln er nicht leben möchte. Seine Vorstellung von Liebe und Freundschaft ist geprägt von Vertrauen und Beständigkeit, ehrliche Anerkennung und Respekt ist das, was er sucht.

„Mich kotzt es einfach unheimlich an, wie die Menschen miteinander umgehen. Wir suchen uns jemanden aus, damit wir unsere Triebe befriedigen können, und wenn wir dann genug haben, lassen wir den anderen wieder fallen. Dann gehen wir wieder unsere getrennten Wege, als wäre nie etwas gewesen. Vielleicht bleibt dann ein Opfer zurück – irgendein Herz wird gebrochen, ohne dass es den Verursacher stört. Entweder ist es ein Mensch, der sich nach einem dieser One-Night-Stands mehr erwartet hätte. Vielleicht glaubt eine Seite, Gefühle entwickelt zu haben, die die andere nicht entdeckt hat? Oder nicht entdecken möchte? Womöglich ist ein Dritter betroffen? Etwa wenn einer der Beteiligten zum Zeitpunkt des „Zwischenfalls“ eine Beziehung hat? Für Rücksicht bleibt da meistens keine Zeit“, sprach ich.

Lukas konnte sich ein sardonisches Lächeln nicht verkneifen und meinte: „Du hörst dich wie ein Priester an. Eine tolle Predigt, Herr Pfarrer. Ist die Gemeinde nun entlassen? Oder dürfen wir weiterschlafen? Aus diesen von Nächstenliebe beheizten Kirchenbänken ist es nämlich so unheimlich unbequem! Übrigens, ich habe gestern meine Frau umarmt und mich dabei nicht von unendlichem Glück durchströmt gefühlt. Bin ich krank? Vielleicht hilft es mir, wenn ich Ihren Weihrauch inhaliere?“

Der Hauptcharakter im Buch kämpft um sein Bestehen im unübersichtlichen Dschungel der Moderne. Doch auch wenn sein vertracktes Gefühlsleben und seine Handlungen ab und an zum Schmunzeln und Kopfschütteln anregen, stellt er manche Aspekte unserer Gesellschaft infrage und regt uns zum Nachdenken an. Ein sehr gelungener Roman, der durch seine pointierte Sprache und seinem Einfühlungsvermögen überzeugt.

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Leseprobe „Der Oberflächenmensch“

Interview mit Michael Wyhnal